Hintergrundinfo

Geschichte

1970 – 1990

Ab Anfang der 70er-Jahre wurde das Thema der «Gastarbeiter» zum Politikum. Die Angst vor «Überfremdung» und der Druck der fremdenfeindlichen und nationalistischen Kreise auf die Behörden führte dazu, dass die Kontingente an Saisonnier-Bewilligungen in den folgenden Jahren viel kleiner ausfielen als der eigentliche Bedarf einer boomenden Wirtschaft. Durch diese zu geringe Anzahl an ausgestellten Saisonnier-Bewilligungen im Verhältnis zu den verfügbaren Arbeitsplätzen wurden die ersten Arbeits-Immigrant:innen zu Sans-Papiers gemacht. 

Das Saisonnier-Statut erlaubte keinen Familiennachzug. Dennoch zogen viele Frauen mit oder ohne Kinder in die Schweiz nach. Ohne Bewilligung begannen sie in den prekärsten Wirtschaftsbereichen zu arbeiten, insbesondere in privaten Haushalten und im Hotelgewerbe. 

Die unmenschlichen Lebensbedingungen, endeten meist nach vier bis zehn Jahren Hindernislauf vom Sans-Papiers über den Saisonnier zum Jahresaufenthalter mit Recht auf Familiennachzug.

1990 – 2000

1992 führte Bern die sogenannte Politik der drei Kreise ein. Dies bedeutet, dass wenig qualifizierte, arbeitssuchende Menschen aus Ländern ausserhalb der Europäischen Union keine Möglichkeit mehr haben, eine Arbeitsbewilligung zu erhalten. Gleichzeitig wird die Anwesenheit von 100’000 bis 300’000 Sans-Papiers, welche die prekärsten Jobs in der häuslichen Wirtschaft, in der Landwirtschaft, im Gastgewerbe und auf dem Bau ausüben, stillschweigend akzeptiert. So wuchs eine neue, in noch prekäreren Umständen lebende Generation von Sans-Papiers heran, die praktisch keine Möglichkeiten mehr hat, ihren Status zu legalisieren.

2000 – 2010

Die Unmöglichkeit, auch nach Jahren der Arbeit und des Aufenthalt in der Schweiz eine Aufenthaltsbewilligung zu erhalten, führte dazu, dass sich Sans-Papiers in Kollektiven zu organisieren begannen und an die Öffentlichkeit traten. Richtig sichtbar wurden die Sans-Papiers in der Öffentlichkeit jedoch erst im Juni 2001, als eine Gruppe von Sans-Papiers mit Unterstützer:innen eine Kirche in Fribourg besetzte und ein Manifest lancierte, in dem die kollektive Regularisierung aller Sans-Papiers gefordert wurde. Im Sommer und Herbst 2001 bildeten sich weitere Sans-Papiers-Kollektive, zuerst in der französischen Schweiz, später auch in den grösseren Städten der deutschen Schweiz (Bern, Basel, Zürich).

Nach einer grossen Demonstration im November 2001 fand endlich eine Debatte im Nationalrat statt. Alle Regularisierungsvorstösse wurden abgelehnt, im Gegenzug führte die Regierung das Härtefallverfahren für Sans-Papiers ein, also eine individuelle Möglichkeit auf eine Regularisierung. Das Härtefallgesuch hat sich jedoch als ungeeignet erweisen. Die Regularisierung mittels Härtefallgesuch wird in der Ostschweiz sehr restriktiv gehandhabt, so dass es für Sans-Papiers nach wie vor fast unmöglich ist ihren Aufenthalt zu regularisieren.

Die Forderungen der Bewegung wurden zwar nicht umgesetzt, dennoch konnte die Lebenssituation von Sans-Papiers in gewissen Bereichen verbessert werden. Dafür musste intensive Sensibilisierungs- und Öffentlichkeitsarbeit geleistet werden.

2010 – Heute

Kampagne «Kein Kind ist illegal»Die schweizweite Kampagne «Kein Kind ist illegal» konnte im Jahr 2010 Erfolge verbuchen. Das Parlament hat den Zugang zu Lehrstellen für Sans-Papiers Kinder vereinfacht. Die betroffenen Kinder können, wenn sie fünf Jahre die Schweizer Regelklasse besucht haben und eine Zusage für eine Lehrstelle haben, mittels einem Härtefallgesuch eine Aufenthaltsbewilligung erhalten.

Broschüre «Keine Hausarbeiterin ist illegal – Rechte, Hintergrund, Kampagne»Die 2017 produzierte Broschüre macht auf die prekäre Lebensrealität von Sans-Papiers Hausarbeiterinnen aufmerksam. Dabei werden auch Arbeitgebende aufgeklärt und informiert, wie sie ihre Angestellten bestmöglich unterstützen können.

Operation Papyrus

2017 stellt der Kanton Genf mit dem Projekt «Operation Papyrus» ein für die Schweiz völlig neues Vorgehen vor: Sans-Papiers die seit über 10 Jahren in Genf gelebt und gearbeitet haben (bei Familien mit schulpflichtigen Kindern reichten fünf Jahre) durften ihr Dossier einreichen für eine Überprüfung einer Legalisierung ihres Aufenthaltsstatus. Trotz diverser Einschränkungen und Voraussetzungen haben so fast 2900 Menschen eine Aufenthaltsbewilligung B erhalten. Genf kann heute bereits positive Bilanz ziehen. Neben der Legalisierung vieler gut integrierter Menschen konnte auch die Problematik rund um die Schwarzarbeit verbessert werden. Aktuelle LebenssituationDie jüngste Studie des SEM (2018) zeigt folgende aktuelle Lebensrealität von Sans-Papiers: In der Schweiz leben bis zur Hälfte der Sans-Papiers mehr als fünf Jahre im Land. Beinahe alle arbeiten – und nur bei etwa einem Siebtel der Sans-Papiers bezahlen die Arbeitgebenden in die Sozialversicherungen ein. Somit sind viele weder gegen Arbeitslosigkeit noch gegen Krankheit versichert. Wenn die Betroffenen ins Rentenalter kommen, erhalten sie keine AHV-Gelder und sind im Alter auf sich alleine gestellt.

Aktuelle Lebenssituation

Die jüngste Studie des SEM (2018) zeigt folgende aktuelle Lebensrealität von Sans-Papiers: In der Schweiz leben bis zur Hälfte der Sans-Papiers mehr als fünf Jahre im Land. Beinahe alle arbeiten – und nur bei etwa einem Siebtel der Sans-Papiers bezahlen die Arbeitgebenden in die Sozialversicherungen ein. Somit sind viele weder gegen Arbeitslosigkeit noch gegen Krankheit versichert. Wenn die Betroffenen ins Rentenalter kommen, erhalten sie keine AHV-Gelder und sind im Alter auf sich alleine gestellt.